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ger will uns nicht einmal zwecks der Hetz mit den Rädern aufs Dach lassen. - Hauptgrund
für die Absage: zu gefährlich! Als ob wir nicht wüssten, was gefährlich ist …
Unflexibel und spießig, dieses Küstenvolk! Wenn wir möchten, dürfen wir durchaus mal
mit dem Aufzug rauffahren. (Spinnen die? Haben die eigentlich überhaupt zugehört, was
wir hier abziehen wollten?!)
Ehe wir uns von Barbara verabschieden, macht sie uns noch einen ordentlichen Brunch.
Sobald sie aber außer Sichtweite ist, stolpern wir wieder direkt in einen neuen unmäßig
mühseligen Tag. Langsam, unendlich langsam verringern wir den Abstand zwischen uns
und dem Pazifik. Richtig, eigentlich tun wir ja seit über zwei Monaten nichts anderes - nun
aber erwarten wir jeden Augenblick das Meer am Horizont. Und es ist diese Erwartung, die
uns, solange sie unerfüllt bleibt, förmlich auffrisst.
Immer, wenn der Verkehr es erlaubt, fahren wir nebeneinander. Nachdem wir die letzten
6700 Kilometer gemeinsam überlebt haben, liegt uns viel daran, auch die spontanen Gefüh-
le zu teilen, die uns beim ersten Anblick des Meeres überkommen werden. - Aber dieses
Glück scheint uns versagt zu bleiben: Das Meer will sich einfach nicht zeigen, nicht einmal
in Tomales, obwohl der Ort doch angeblich keine fünf Meilen vom Pazifik entfernt liegt.
Stimmung kommt folglich auch keine auf. Stattdessen starker Wind. Und wieder unheim-
liche Kälte. Uns vergeht sogar die Lust, nach Dillon Beach zum Strand hinunterzufahren.
Was sollen wir dort bei diesem Wetter? Das Meer wird uns ja doch nicht entkommen.
In den Träumen der letzten Wochen und Monate war immer vorgesehen, dass ich
mich an einem sonnigen Strand vor lauter halb nackten Badeschönheiten theatralisch
ins warme Wasser fallen lasse. Davon kann nun keine Rede sein - am heiß ersehnten
Pazifik herrscht Eiszeit.
In einem Zeitungsladen fragen wir nach dem Steigungsprofil von Highway 1. „Von hier
nach San Francisco geht es nur noch bergab“, sagt uns der Mann. Wir können es kaum
fassen! Als der Mann das bemerkt, fügt er hinzu: „Na ja, zumindest die Hälfte davon.“ -
Genauso ist es dann auch. Sinnloses Bergauf und Bergab, ein Hügel nach dem anderen.
Wir fahren weiter auf der „Eins“. Der berühmt-berüchtigte „Highway Number One“ ist
in dieser Gegend ein Schatten seiner selbst: wenig Verkehr (immerhin etwas) und keine
Aussicht. Immer wieder bleiben wir stehen, um nachzusehen, ob er es auch wirklich ist.
Beim Autorennen auf Nicks Spielcomputer damals in Boston sah das alles viel imposanter
aus.
Hinter einer Bergkuppe taucht auf einmal völlig unspektakulär ein schmuddeliger grauer
Wasserarm auf. Es dauert ein paar Augenblicke, bis wir realisieren, dass dies nun unser ers-
ter Blick auf den Pazifik ist: Die Ebbe hat einen lang gezogenen Kanal übrig gelassen, der
sich nun langsam wieder mit Brackwasser füllt. Lake Michigan sah da mehr nach Ozean
aus! Nur die vielen Fischer, die um diese Tageszeit ihren Krabben- und Austernfang an die
touristenverseuchten Uferlokale abliefern, machen die unmittelbare Nähe des großen Mee-
res einigermaßen glaubhaft.
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