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nachtungsmöglichkeit auf. Weil's aber dann doch noch ein bisschen früh ist, fahren
wir schließlich weiter.
Immerhin: Durch den Anruf haben wir jetzt eine Adresse in der Nähe von Santa Rosa,
wo wir, wenn wir wollen, morgen oder übermorgen übernachten können.
Wenig später bekommt Tobi plötzlich einen Durchfall-Anfall. Ob er wohl irgendwas
Falsches gegessen oder getrunken hat? Und ob er das nicht hätte erledigen können,
als wir noch vor dem Supermarkt standen? - Auf jeden Fall muss er mitten in der
allergrößten Walnussplantage - weit und breit kein Haus - ganz dringend aufs Klo.
Eilig verlassen unsere beiden Helden den Highway, fahren ein kleines Stück einen Feld-
weg entlang und stellen die Räder an einem Walnussbaum ab …
Als wir wieder auf dem Feldweg sind, sehen wir, dass unsere Reifen gespickt sind mit
reißzweckenähnlichen Distelsamen (Mutter Natur hat sich hier offenbar gegen scheißen-
de Radfahrer etwas einfallen lassen!): Überall stecken fünf bis sechs Millimeter lange Sta-
cheln. Bange Minuten, während wir unsere Räder wie Bräute auf den Armen zur Straße
tragen und vorsichtig alles, was nicht hineingehört, rausziehen. („Sie liebt mich - sie liebt
mich nicht!“ - „Pfffft …“)
Die Bilanz: Wir haben noch vier Reifenpflaster. Tobi hat ein kleines Loch irgendwo
im Vorderrad. Das könnte man flicken. Mein Hinterrad scheint mehr abgekriegt zu
haben (juhuu, schon mein zweiter kaputter Schlauch - und dabei sind's jetzt nicht
einmal mehr 250 Meilen bis San Francisco). Wir können natürlich mit den verblei-
benden vier Pflastern munter drauflosreparieren. Was aber, wenn der verdammte
Schlauch mehr als vier Löcher hat? Oder wenn wir einen Stachel im Mantel überse-
hen, der uns dann beim Wiederaufpumpen das nächste Loch reißt? (Alles schon da
gewesen … )
In diesem Moment beweist mir Stefan, dass auch Chaoten ein Recht zu leben haben: Kei-
ne Ahnung, wie oft ich mich bisher auf dieser Reise über seine Vergesslichkeit oder seine
fast schon krankhafte Sammelwut für Gerümpel (alte Nummerntafeln etc.) aufgeregt habe.
Jetzt allerdings fehlen mir die Worte. Zieht dieser Typ doch tatsächlich den alten Schlauch
aus seiner Satteltasche, den er in Red Bluff mit einem Nagel durchbohrt hat, und meint:
„Schau, Tobi: In diesem Schlauch sind eindeutig nur zwei Löcher, in dem anderen ist mög-
licherweise nur ein Loch, vielleicht sind's aber auch sechs. Nehmen wir doch den, für den
wir bestimmt nur zwei Pflaster brauchen.“ - Entwaffnende Logik! Ich spare mir die Frage,
warum er einen Schlauch mit zwei Löchern mit sich herumschleppt.
Als ich meine Satteltaschen wieder aufs frisch geflickte Hinterrad montiere, fährt
Tobi los. Das Loch in seinem Vorderreifen ist so klein, dass er beschlossen hat, den
Schlauch lieber alle zehn Meilen einmal aufzupumpen und dafür zwei Flicken in Re-
serve zu haben. - Während ich noch mit der schmierigen Kette kämpfe, bemächtigen
sich gierige Ameisen still und heimlich meiner Sachen. Ein Toastbrotsackerl muss ich
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