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dessen gleich nach Süden (in Richtung San Francisco) abzubiegen und dabei als Nächstes
Kurs auf Cassel zu nehmen, wo angeblich Clint Eastwood wohnt.
Ein tolles Gefühl ist das, wieder mit einem vollwertigen Rad unterwegs zu sein.
Noch ganz befangen von „Dirty Harry's“ Sommerfrische (Clints Briefträger zufolge lässt
sich der alte Herr hier immer per Hubschrauber auf seine Ranch einfliegen) fahren wir auf
der 89 weiter in Richtung Eskimo Hill.
Kaliforniens Lkw-Fahrer gehen für mich in die Geschichte dieser Reise mit dem Prädikat
„Assholes of America“ ein! Für Holztransporte gibt es vom Händler offenbar Prämien für
die Bestzeit vom Wald zum Sägewerk: Wer bremst, verliert. Und wegen ein, zwei mickrigen
Radfahrern wird man doch einen 40-Tonner trotz Gegenverkehrs nicht herunterbremsen.
Was das wieder an Zeit und Sprit kostet! Nein, da investieren wir lieber eine Viertelstunde
an „Donna's Drive-Inn“, um mit dem Maurerspachtel die hartnäckigen Hirnreste von der
Stoßstange zu kratzen.
Das eine Mal war es derart knapp, dass ich nicht weiß, wie mich der Typ trotz acht töd-
licher Achsen und Sogeffekt überhaupt verfehlen konnte. Wenn ich meinen linken kleinen
Finger von der Lenkstange weggestreckt hätte, hätte ich mir vermutlich das Nägelschnei-
den bis zum Ende meines Lebens erspart.
Bei Old Station lassen wir uns in einem Restaurant die örtliche Spezialität servieren: den
echten, unverwechselbaren „Shasta Burger“ - kulinarisch eine beinahe ebenso unentbehrli-
che Erfindung wie das einzigartige Großglockner-Schnitzel. Gestärkt und übellaunig neh-
men wir danach Eskimo Hill in Angriff.
Irgendein weiser Mensch hat mal gesagt: „Man wächst mit jeder Aufgabe!“ Ich behaup-
te: „Man schrumpft mit jedem Tiefschlag!“ Kurz vor dem Gipfel reißt mit einem unverhält-
nismäßig seidenweichen Schnalzer die nächste Speiche an meinem Hinterrad. Natürlich
auf derselben, irreparablen Seite wie beim ersten Mal. Ohne gleichmäßige Spannung win-
det sich die Felge in kürzester Zeit zu einem bemerkenswerten Achter. Und ich kann nicht
einmal die umliegenden Speichen fester ziehen, weil die Schrauben schon zu ausgeleiert
sind.
Dann stehen wir auf dem Gipfel: „Eskimo Hill“ - nie wieder werden wir auf dieser Reise
so hoch oben sein wie jetzt. Mit 6000 Fuß ist dies der letzte große Berg vor San Francisco.
Ich muss die hintere Bremse vom Zugseil lösen, weil sich sonst das Rad nicht mehr dre-
hen läßt. Toll, acht Grad Gefälle auf vier Kilometer, und ich hab nur die Vorderradbremse
zur Verfügung. Noch schlimmer als die drohende Gefahr eines Bremsversagens wiegt je-
doch der seelische Schmerz: Während Stefan vor mir davonzischt, muss ich die sonst so er-
holsame Abfahrt im Schneckentempo zurücklegen. Mir blutet das Herz! Langsam taste ich
mich an eine halbwegs risikofreie Höchstgeschwindigkeit heran - aber mehr als 30 km/h
sind kaum möglich. Und dabei könnte man es gerade hier so schön laufen lassen.
Es geht zügig bergab. Tobi bleibt mit seiner gebrochenen Speiche hinter mir zurück.
Ich habe auch einen leichten Achter; ein paar Speichen sind lose. Aber das erlaubt
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