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wie die Leute (und ihre Geldgier) - vielleicht aber auch unser eigener Geiz -, treiben uns
am Ende weiter.
Nachdem wir ja so cool und unbesiegbar sind, entschließen wir uns, einfach nach Burns
weiterzufahren. Immerhin haben wir die Hälfte ja schon hinter uns (jedenfalls von Vale aus
betrachtet). Unsere Wasserreserven füllen wir nicht auf. Wozu auch? Erstens muss man hier
für Eiswürfel etliche Cents berappen. Und zweitens gibt's auf Drinking Water Pass (und
der liegt keine 20 Kilometer von hier) ja ohnehin eine Quelle. Das hat man uns jedenfalls
in Vale erzählt …
Stefan braucht viel Flüssigkeit beim Radfahren. Er hat eine völlig andere Wasserzirkula-
tion als ich. Durch die Mineralien in dem ausgeschwitzten Wasser sieht er am Ende jedes
heißen Tages aus wie in Salzteig gebacken.
Als wir Drinking Water Pass erreichen, sind unsere Camelbaks fast leer. Von Wasser je-
doch keine Spur, obwohl wir sogar noch einmal ein Stück zurückfahren, um jede Abzwei-
gung auf eventuell übersehene Hinweisschilder zu prüfen.
Später werden wir erfahren, dass die uns beschriebene Quelle nicht unmittelbar auf dem
Pass liegt, sondern „ein Stückchen“ davor: dort, wo wir in unserem Übermut die Verdurs-
tenden gespielt hatten …
Es hilft alles nichts - wir müssen weiter. Wenige Meilen später ist unser gewöhnlicher
Trinkwasservorrat verbraucht. Wir haben keine andere Wahl, als auf die warme, nach Plas-
tik stinkende Lacke in unseren Fahrradflaschen zurückzugreifen: Bisher hatten wir uns da-
mit nur die Zähne geputzt oder die Hände gewaschen. Aber immerhin ergibt das jetzt noch
einmal fast einen Liter für jeden.
In der Wüste heißes Wasser zu trinken ist ungefähr genauso sinnvoll, wie bei einem
Zimmerbrand Benzin zum Löschen zu verwenden.
Auf Drinking Water Pass folgt Stinking Water Pass.
Ein ätzender Name: Den tieferen Sinn begreift man erst, wenn man mit dem Fahrrad hier
rauffährt. Stinken tut das Wasser schon, allerdings das, was wir in den Radflaschen mit
uns führen. Und weil der Pass über keine eigenen Wasserreserven verfügt, müssen wir das
Zeug nun saufen.
Wüsten waren in meiner Vorstellung immer eben, flach wie ein Bügelbrett, plan wie
das Meer. Diese hier ist voll mit hässlichen Hügeln und Bergen. Man kann die Pein,
die die Wüste einem anzutun gedenkt, bereits auf große Entfernung sehen. Wüsten
sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.
Stinking Water Pass liegt auf einer mächtigen Bergkette. Ein endlos langer Anstieg win-
det sich in Schlangenlinien hinauf auf den kahlen, ungeschützten Rücken, direkt im Brenn-
punkt der ungnädigen Nachmittagssonne. Alternativen gibt es keine: Über diesen Pass
führt der einzige Weg zu Trinkwasser.
Mitten auf dem längsten Anstieg geht mir die warme Plastiklacke aus. Tobi sieht,
dass ich kein Wasser mehr habe, und teilt seinen letzten Rest mit mir.
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