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der nicht auf Lager gewesen. Jetzt verspricht man uns, andere, bessere zu schicken. Dies-
mal über Nacht.
Den Nachmittag verbringen wir mit Sightseeing. Boston, der Geburtsort von Samuel
Adams, im Regen. Ein stimmungsvoller Anblick.
Am Abend fahren wir dann zu Bekannten an den Stadtrand: Glück im Unglück. Morgen
wären sie bereits auf Urlaub gewesen. Wenigstens müssen wir nicht gleich an einem so
düsteren Tag wie diesem Geld fürs Übernachten ausgeben.
Wer bastelt mit?
In aller Frühe stehen wir wieder bei „International Bicycles“ auf der Matte. Als wir den
Laden betreten, kann man einige der Jungs hinter unserem Rücken richtig mit den Augen
rollen hören: „ Die schon wieder!“
Immerhin - die neuen Räder sind da. Jungfräuliche grüne Gary Fisher Utopia Moun-
tainbikes, Pedale aus Aluminium, Shimano-Gripshift-Schaltung, 21 Gänge. Warum nicht
gleich?
Während wir an unseren neuen Lebensgefährten herumschrauben, hören wir uns Ge-
schichten an über Leute, die „es“ versucht haben. Die Durchquerung des Kontinents natür-
lich, nicht das Zusammenbasteln fabrikneuer Fahrräder. Viele Leute, die nach Westen fah-
ren, geben irgendwann auf, wird erzählt. Wegen des Windes, sagt man. Der kommt nämlich
um diese Jahreszeit immer von Westen - angeblich.
Wir lassen uns gründlich beraten. Regensocken, Regenhose, Satteltaschen. Stefan nimmt
sich andere Pedale, ich suche mir einen weicheren Sattel aus, montiere Schmutzfänger
und lasse mir einen so genannten „Camelbak“ aufschwatzen (ein Wasserrucksack mit Ein-
Meter-Strohhalm). Der Verkäufer meint, ich werde ihm dafür noch dankbar sein. Ich bin
trotzdem skeptisch - außerdem hasse ich aufdringliche Verkäufer. Aber irgendetwas in mir
sagt: „Kauf dieses sauteure Ding, du wirst dem Mann dafür noch die Füße küssen wollen!“
- Ich gebe mich geschlagen. Die innere Stimme kichert hämisch, die äußere gratuliert mir
mit einem Präsidentenberater-Grinsen zu diesem äußerst weisen Entschluss.
Mich beschleicht eine böse Vorahnung: Ungewöhnlich wenig Platz auf diesem Rad.
Ist der Rahmen vielleicht zu kurz? Wir wechseln den Lenker. Das Gefühl verbessert
sich nur unwesentlich.
Es dauert alles ziemlich lange. Während Stefan mit seinen neuen Pedalen - Shimano-
Clips, die die Kniegelenke schonen sollen - herumspielt, gehe ich in den Nachbarladen,
kaufe zwei aufblasbare Isomatten und zögere dann eine Sekunde zu lange, um auch ein
kleines Notfallzelt zu kaufen.
Das hat man nun davon, wenn man zu zweit reist: Stefan glaubt allen Ernstes, wir werden
mit zwei Plastikplanen, die wir im Sonderangebot um 79 Cents in New York gekauft ha-
ben, auskommen. „Wir müssen!“, behauptet er. „Wegen des Gewichts und des Gepäckvo-
lumens.“ Irgendwie gelingt es ihm, meine Vernunft zu unterspülen. Aber ich streiche noch
sehr lange mit schlechtem Gewissen um die Zeltabteilung herum.
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