Travel Reference
In-Depth Information
auflöst, fahren wir mit ein paar Studenten raus aus der Stadt, um irgendwo unterm Sternen-
himmel noch ein Lagerfeuerchen anzuzünden. So landen wir am Ende wieder in der Wüs-
te. Eigentlich nur wenige Meter von den Sanddünen entfernt, die vorgestern unsere feurige
Fiesta über sich ergehen lassen mussten, sitzen wir nun im Kreis, frönen dem olympischen
Gedanken (dabei sein ist alles …) und starren in die Glut.
Es weiß eben nicht jeder, wie man Feste feiert.
20.
Against the Wind
Bob Seeger
Beschränkte Welt
In rauen, unberechenbaren Böen bläst der Wind von Südwest die Straße herauf. Längst
habe ich mich in den Triathlonlenker verkrallt, den Kopf demütig und resignierend zu Bo-
den geneigt, den Blick vom Horizont gelöst und gesenkt, und starre durch mein Lenker-
Dreieck auf den grauen, unter mir davonfließenden Asphalt. Alles, was ich dazu sehen
muss, ist das schmale weiße Band, das die Straße vom Pannenstreifen trennt und konstant
20 Zentimeter rechts von meinem Vorderrad dahinläuft. Wie der Leitstrahl, der ein Flug-
zeug bei Nacht und Nebel auf die Landebahn holt. Schmerzfrei ist diese Körperhaltung
nicht, aber sie ist das geringere Übel, an das ich mich längst gewöhnt habe. Mein linker
Fuß schläft mit der Zeit ein, auch eine verzweifelte Positionsänderung auf dem Pedal än-
dert daran nichts. Meine Knie knirschen leise, aber leider unüberhörbar. Die Nase läuft
chronisch vom Heuschnupfen, das linke Auge ist trocken vom ewigen Südwestwind.
An meinem Handgelenk trage ich das Lederband, das ich im Indianerreservat gefunden
habe. Ich schaue jetzt immer wieder darauf, wenn ich Kraft brauche. Und das ist oft der
Fall. Das Band macht sich gut auf der jetzt sonnengegerbten, dunklen Haut. Vor mir schau-
kelt in Augenhöhe der kleine wassergefüllte Autokompass, den ich mit Klebeband befestigt
habe. Die Kugel tanzt und hüpft unkontrolliert im Kreis. Darunter der Radcomputer mit
seinen schwarzen, unbestechlichen Digitalziffern, auf die ich viel zu oft schiele.
In dieser beschränkten kleinen Welt spielt sich mein heutiger Tag ab. Der Blick wandert,
wie von einer Schnur gezogen, auf ewig gleichen Pfaden: Eins - Straße. Zwei - Tacho.
Drei - Kompass. Vier - Armband. Eins - Straße. Zwei - Tacho. Drei - Kompass … Wie
ein Tier, das unruhig in seinem Zoogehege auf und ab läuft. Oder besser: wie ein Schre-
bergärtner, der den ganzen Tag das Wachstum seiner Tulpen kontrolliert.
Nach einem langen, erholsamen Vormittagsschläfchen und einem nicht ganz so langen,
aber ebenfalls sehr angenehmen mexikanischen Brunch ist es schon fast halb eins. Nichts-
destotrotz beschließen wir, heute noch die beinahe 90 Meilen nach Arco zu fahren. - Scha-
de nur, dass wir dabei die Rechnung ohne den Wind gemacht haben.
Eine unfassbar mühsame Etappe! Bereits nach wenigen Meilen kommen Zweifel auf, ob
wir unser heutiges Tagesziel überhaupt erreichen werden. Dabei basiert dieser Plan ja le-
Search WWH ::




Custom Search