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Am Abend geht's ins Kino: Das UFO-Epos „Independence Day“ ist in den USA gerade
angelaufen. Ein herrlicher Film voller freiwilliger und unfreiwilliger Komik, den man al-
lerdings ohne einen Kübel Popcorn und einen Eimer Cola nur schwer verstehen kann.
Als die Außerirdischen eine Karawane mit Motorhomes und Campingwagen unter
Beschuß nehmen, erhebe ich mich ostentativ von meinem Sitz und klatsche Standin-
govations: Das ist die Rache für Yellowstone! Yeah!
Die Ereignisse überschlagen sich: Nach der Rettung des Planeten Erde steht heute
schließlich auch noch die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Atlanta auf dem Pro-
gramm! Aus diesem Anlass schmeißt das College eine Olympia-Dance-Party. Auf der Ein-
ladung steht: „Zieht euch olympisch an.“ Und gleich darunter: „Aber bitte keine nackten
Beine, ja?“ - Quizfrage des Abends: Bei welcher Sommersportart trägt man lange Hosen?
Unsere Verkleidung liegt jedenfalls auf der Hand: Schließlich haben wir rein zufällig die
Original-Jerseys des amerikanischen Olympia-Radteams dabei (und darüber hinaus eigent-
lich eh nix Vernünftiges zum Anziehen). Und mit ein paar Jeans entsprechen wir sogar der
offiziellen Kleiderordnung.
Das mit der olympischen Verkleidung haben offenbar nur wir gelesen: Fast bis zur Un-
kenntlichkeit als Olympia-Zuschauer getarnt, stürmt die Masse der Studenten die Partyhal-
le. Nur einer wird aufgehalten.
Jetzt reißt mir aber bald die Hutschnur! Das mit den langen Hosen ist zwar irgend-
wie seltsam, aber akzeptabel. Aber meinen Ohrring herausnehmen? Wenn die Mädels
alle ihre Ohrringe behalten dürfen, dann fühle ich mich diskriminiert! Blöde Mormo-
nen!
Dafür haben sie sich Mühe gegeben, die Party wirklich olympisch zu machen: Auf einer
Großbildleinwand kann man live den Einzug der Athleten in Atlanta verfolgen. Und es gibt
Olympiabewerbe für die Partygäste. Die drei Hauptpreise: zwei Kinokarten, ein Gutschein
für ein Riesensandwich und ein original Atlanta-T-Shirt.
Beim Radbewerb (mit einem Dreirad soll man, ohne sich die Knie auszukegeln und mög-
lichst in Bestzeit, einen Slalom-Parcours durchfahren) hab ich doch tatsächlich die zweit-
beste Zeit geschafft und das Sandwich gewonnen. Als gerade im Moment der Preisverlei-
hung die österreichische Mannschaft auf der Leinwand in Atlanta einmarschiert, greife
ich mir in einem Anfall von Übermut ein Mikro: „We are from Austria und radeln gerade
durch die States, nur um heute Abend hier live dabei zu sein. Es ist ursuper leiwand bei
euch. Vor allem, weil man da draußen, wie ihr euch vorstellen könnt, mit der Zeit sehr,
sehr einsam wird, besonders jetzt, nach 2900 Meilen. Apropos einsam: Ich hab da vorhin
einen silbernen Ohrring auf dem Boden gefunden und würde ihn bei der Besitzerin gerne
gegen einen Tanz eintauschen.“
Dieser Schleimer! - Aber lieb irgendwie. Und natürlich eine großartige Rede!
Als die Party pünktlich um Mitternacht ihr jähes Ende findet und sich die ganze glitzern-
de Festgesellschaft - ähnlich wie bei Aschenputtel - wieder in ihre weltlichen Bestandteile
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