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Tobi findet es unendlich komisch, dass ich raus in den Regen muss, um meine Sat-
teltaschen mit Plastikfolie abzudecken (seine hat er schon vorher abgedichtet). Einen
seltsamen Humor hat dieser Mensch.
Eine halbe Stunde nach dem Essen nimmt die Welt von ihrem ursprünglichen Vorhaben
Abstand und beschließt, heute doch nicht unterzugehen. Trotzdem hängen den ganzen
Nachmittag bedrohliche Wolken über uns. - Gelegentlich nieselt es.
Zu allem Überfluss geraten wir auch noch auf so eine verdammte Touristenroute, auf der
die Leute wie die ersten Menschen fahren. Ein besonders reizendes Exemplar (Spezialaus-
führung mit Baseballkappe) schießt mich kurz vor Ashton regelrecht von der Straße. Wenn
ich den Typen in den nächsten Stunden irgendwo erwischt hätte, ich hätte ihn in meiner
blinden Wut windelweich geprügelt.
Alles in allem also ein richtig netter, erfreulicher Mittwochnachmittag. Als wir gerade
darüber nachdenken wollen, wie wir diesen Tag möglichst unauffällig und schnell zu Ende
bringen können, beginnt es wirklich zu regnen. Im Windschattenakkord rasen wir in Rich-
tung St. Anthony.
Auf der Abfahrt nach St. Anthony wird gerade der Fahrbahnbelag erneuert: Sechs
Meilen Baustelle und eine auf der gesamten Länge aufgerissene Straße lassen nur eine
asphaltierte Spur frei. Mit 35 mph geht es abwärts (mehr ist auf diesem Baustellen-
abschnitt ohnehin nicht erlaubt). Natürlich bildet sich hinter mir trotzdem eine lange,
hupende Schlange: Idioten, aufgefädelt wie auf einer Perlenkette, dümmliche Men-
schen, die einfach nicht begreifen können, warum ich mit fast 60 km/h nicht in den
tiefen Schotter ausweiche. Natürlich fahr ich schön in der Mitte der Spur. Eh klar. Ich
hab doch keine Lust, mich von irgend so einem Verrückten beim Überholen in den
Kies abdrängen zu lassen! Mit einer Horde Bleifußcholerikern im Schlepptau fange
ich plötzlich an, die Situation unheimlich zu genießen. Solange mich der Typ an mei-
nem Hinterrad nicht von der Straße rempelt, bin ich hier vorne sicher wie in Abra-
hams Schoß! Und das traut der sich nie - schließlich hat er auch noch Frau und Kin-
der an Bord.
Als die Straße endlich wieder in zwei Spuren mündet und sich die Kolonne hupend,
fluchend und an den Kopf tippend an mit vorbeiwälzt, grüße ich auf meine Art zu-
rück.
Ohne getötet oder verstümmelt zu werden, schaffen wir es bis in die Stadt und bitten dort
bei einer Mormonenkirche um Unterschlupf. Wir haben Glück: Karen, die Frau, die wir
fragen, feiert heute ihren 35. Geburtstag und sieht kein Problem darin, uns bei ihren Eltern
unterzubringen. So geraten wir an Karens unheimlich nette Familie, essen die Reste ih-
res Geburtstagsmenüs auf und bekommen von den Töchtern des Hauses einen hawaiischen
Volkstanz vorgeführt. (Karens Mann Cook stammt aus Samoa - und die Kinder sind natür-
lich bildhübsch.)
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