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Die Leidenschaft der Männer mit den Silberkugeln
Für Liebhaber des französischen Südens ist
es der Inbegriff der Muße und des Savoir
Vivre: das Pétanque-Spiel. Wo immer sich
eine ebene freie Fläche in einem provenza-
lischen Örtchen findet, stehen sie stunden-
lang zusammen und werfen mit silbrig
glänzenden Kugeln (boules). Meist sind es
ältere Männer, an Feiertagen auch andere,
die beim Spiel heftig diskutieren, lamentie-
ren, lachen und bei alledem reichlich Pastis
trinken. Das Wort „Stress“ wurde hier nicht
erfunden.
Zielkugel, die im Französischen cochonnet ,
bei uns „Schweinchen“ genannt wird.
Spielinhalt seither ist, dass zwei gegneri-
sche Parteien darum wetteifern, wessen
Kugeln näher an das Schweinchen ge-
langen.
Nach der Völkerwanderung geriet das
Spiel in Vergessenheit und tauchte erst im
Mittelalter wieder auf. In Frankreich wurde
es derart beliebt, das Karl V. es 1369 kur-
zerhand verbot, weil es die Moral seiner
Krieger untergrub. Dies, wie auch ein wei-
teres Verbot 1629, nützte nichts, das Kugel-
spiel war aus Frankreich nicht mehr wegzu-
denken und gehört bis heute zur Identität
des Landes. 1792, in den Wirren der Revo-
lution, gab es jedoch auch einen traurigen
Zwischenfall: bei einer Partie in Marseille
starben 38 Menschen - sie hatten nicht ge-
wusst, dass ihre Bouleskugeln in Wirklich-
keit Kanonenkugeln waren.
Die Geschichte der Boules-Spiele
Schon die alten Griechen und Römer
kannten ein dem heutigen Boules verwand-
tes Spiel. Die Griechen spielten mit kugel-
förmigen Steinen, während die Römer
Holzkugeln bevorzugten, die sie mit Eisen
beschlugen. Letztere sind auch Erfinder der
Wie das Pétanque-Spiel entstand
Früher herrschte in der Provence eine
Variante des Kugelspiels vor, die über 17
bis 21 Meter ging und heute ein athleti-
scher Sport ist, genannt Jeu Provençal . Das
Pétanque-Spiel im engeren Sinne entstand
im Sommer 1910 in La Ciotat, einer kleinen
Küstenstadt östlich von Marseille. Damals
konnte der Spieler Jules-Le-Noir, weil er
starkes Rheuma hatte, keine Anlaufschritte
mehr machen. Sein Freund Ernest Pitiot
konnte nicht mit ansehen, dass sein Freund
traurig am Rand saß, und erfand eine Varia-
tion: Man spielte jetzt ped tanco (provenza-
lisch) bzw. pieds tanqués (französisch), also
mit zusammengestellten Füßen und ohne
Anlauf aus einem Kreis heraus. Auch die
Distanzen hatten sich verändert und betru-
gen nur noch sechs bis zehn Meter. We-
gen der leichteren Praktizierbarkeit trat die-
se Variante des Boules-Spiels ihren Sieges-
zug um die ganze Welt an.
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