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Matisse, Maler der Lebensfreude
„Matisse? Ein Name, der sich auf Nice
reimt“, schreibt der französische Kunst-
kritiker Pierre Schneider, „da denkt man an
Balkone, die auf ein von der Sonne be-
schienenes Mittelmeer zeigen, an träge
hingestreckte Odalisken. Bilder des Luxus,
der Ruhe, der Wollust. Genügt es nicht
bereits, dass ein Maler sich an der Côte
d'Azur niederlässt, um sein Werk sogleich
als Illustration großer Ferienreise und ewi-
ger Freizeitvergnügen zu betrachten? Ma-
tisse: Maler der Lebensfreude...“ Doch ge-
nau das, was Schneider hier etwas ketze-
risch beschreibt, war es, was Henri Matisse
erklärtermaßen wollte. Dem Freund Ga-
ston Diehl gestand er einmal, er habe be-
schlossen, „innere Qualen und Unruhen für
mich zu behalten, um nichts als die
Schönheit der Welt und die Freude am
Malen ins Werk umzusetzen.“
Das Verwirrende an Matisse, der erst
spät zur Malerei kam und stets auf eine
bürgerliche Lebensweise Wert legte, ist,
dass sich seine Malerei jeder Klassifizierung
und jeder Zuordnung zu einer Schule
entzieht. Er ging beliebig von einer Mal-
weise zur anderen über und bewegte sich
immer wieder in neue Richtungen. Für kur-
ze Zeit galt er als Anführer der Gruppe der
Wilden, der Fauves. 1904, bei einem Be-
such in Saint-Tropez, bediente er sich der
pointillistischen Technik Signacs, um sich
bald darauf wieder von diesem Stil zu ent-
fernen. Mit dem Kollegen Picasso verband
ihn zeitlebens eine zurückhaltende Freund-
schaft. Kandinsky charakterisierte die Ge-
gensätzlichkeit der beiden Künstler so:
„Matisse: Farbe, Picasso: Form. Zwei große
Tendenzen, ein großes Ziel.“ Picassos Stil
mündete in den Kubismus, während der Stil
von Matisse sich hin zu einem eher synthe-
tischen Bildaufbau entwickelte, zu einer im-
mer großzügigeren Verwendung von Farb-
flächen, zur Technik des Gouache-Schnit-
tes letztlich.
Doch noch war es nicht so weit.
Zunächst, in der Zeit vor dem Ersten Welt-
krieg, „verfiel“ Matisse dem Orient. Nach
einer Marokko-Reise waren die Anleihen
der orientalischen Ästhetik, Ornamente,
Arabesken usw. in seiner Kunst überdeut-
lich. Dann wandte er sich ab etwa 1914 der
Abstraktion und dem kubistischen Stil zu.
Noch während des Krieges, 1916, ver-
brachte der mittlerweile berühmte Künstler
seinen ersten Winter in Nizza. „Ich hatte
lange, ermüdende Jahre der Experimente
hinter mir“, sagte Matisse, „in denen ich al-
les getan hatte, um diese Experimente nach
zahlreichen inneren Konflikten mit einem
Werk in Einklang zu bringen, das etwas
Beispielloses darstellen sollte. (...) Ja, ich
musste Atem schöpfen, mich in aller Ruhe
gehen lassen und fern von Paris meine Sor-
gen vergessen.“
Während dieser so genannten „Entspan-
nungsperiode“ malte er weiterhin Odalis-
ken, außerdem seine berühmten Fenster-
bilder. Während Europa jetzt, zwischen
den beiden Kriegen, zerrissen war und sich
dies in der Kunst durch Strömungen wie et-
wa dem Expressionismus zeigte, hatte sich
Matisse für Zurückgezogenheit und Beson-
nenheit entschieden. Er genoss das Leben
im Süden, in Nizza: „Als ich begriff, dass
ich jeden Morgen aufs neue dieses Licht
sehen würde, konnte ich nicht an mein
Glück glauben.“ In seiner Wohnung baute
er für seine Odalisken-Serie orientalische
Das Matisse-Museum in Cimiez
 
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