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rius“, „Fanny“ und „César“, der „Mar-
seillaiser Trilogie“, haftet ein folkloris-
tisch-sentimentaler Beigeschmack
an, der mystifizierte Midi zum Pariser
Plaisir. Selbst die satirischen, gesell-
schaftskritischen Stücke wie „Jazz“
oder „Kriegsgewinnler“ schöpften
eher aus Pagnols Sinn für die Komik
des Alltags denn aus politischer Mo-
tivation.
Als er, gut 60 Jahre alt, eine Rück-
kehr zum Theater versuchte, erlebte er
mehrere Enttäuschungen. Pagnol, der
einmal eine Abhandlung über das La-
chen verfasst hatte, suchte den Grund
seiner Misserfolge in der zu düsteren
Atmosphäre seiner neuen Stücke. Er
ließ Zählungen anstellen und war ver-
blüfft: In den Vorkriegsstücken lachten
die Zuschauer seltener, und doch ge-
fiel es ihnen besser.
Pagnol, der Dramatiker, wandte sich
ab vom Kino und vom Theater. Und
schrieb, als alter Mann schon, seine
Kindheitserinnerungen auf. „Die Eh-
re meines Vaters“ und „Das Schloss
meiner Mutter“ wurden Welterfolge,
die sich, neben La Fontaine, Daudet
und Victor Hugo, bis heute in allen
französischen Schulbüchern abge-
druckt finden. Sie sind es, die bleiben
werden von Pagnol. Der liebevoll iro-
nisch geschilderte Vater, ein Schul-
meister, der voll heiligem Ernst seine
antiklerikale Mission ausübte, die Fe-
rien in der wilden Garrigue der Pro-
vence, die Bartavellen-Jagd in den Ber-
gen von La Treille. Die Verklärung ei-
ner Kindheit in Aubagne, wo alles be-
gann und wohin ihn die Erinnerung
zurückführte, sous le Garlaban cou-
ronné de chèvres, au temps des dernier
chevriers , „unter den von Ziegen ge-
krönten Berg, zur Zeit der letzten Zie-
genhirten“.
Jean Giono
Etwa in der Mitte seines Lebens, als
er schon eine ganze Reihe von Ro-
manen geschrieben hatte und eine
ebensolche noch schreiben sollte, sah
sich Jean Giono mit einem Mal zum
Nichtstun verdammt. Tag um Tag, Mo-
nat um Monat verstrich, ohne dass der
Vielschreiber an den kleinen Holztisch
im obersten Stockwerk seines Hauses
hätte hinaufsteigen können. Jean Gio-
no saß im Gefängnis. Ausgerechnet
dieser Jean Giono, der Träumer, der
Pazifist, der in der stillen Hochproven-
ce ein stilles Künstlerdasein führte, war
ins Gefängnis geraten. Nicht in irgend-
eines, nein, in das Fort von Marseille,
jenen düsteren Festungsbau, der den
Alten Hafen bewacht, da, wo er ins of-
fene Meer übergeht, am Tor zu seiner
geliebten Provence, aber mitten im
verhassten Marseille. Da saß Giono al-
so in seiner Zelle, die eher ein Kerker
war, und ging einem eigenartigen
Zeitvertreib nach: Die Maserungen
des rohen Steins, der sein Verlies bil-
dete, las er wie eine Landkarte. Tag für
Tag entstanden so neue Berge und
Flüsse, Länder, ja Kontinente und Oze-
ane vor seinen Augen. Tag für Tag er-
schuf er sich eine ganze Welt.
Nichts charakterisiert Jean Giono
besser: Ein immobiler Reisender blieb
er sein ganzes Leben lang. Kaum je
hat er die Provence verlassen, doch
auch seinen Lesern eröffnet er eine
 
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