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nicht umsonst Hôtel de Ville heißt,
mitunter aus dem 19. Jh., als die örtli-
chen Notablen der Landflucht steiner-
ne Dokumentationen vermeintlicher
Größe und Bedeutung entgegensetz-
ten. Unverzichtbar für den Platz ist fer-
ner der Brunnen, dann mindestens ein
Schatten spendender Baum, etwa eine
Platane, oft ein Uhrturm mit Campa-
nile, ein Denkmal und natürlich ein
Café. Die Kirche hingegen liegt selten
an diesem Platz, auch nicht der Fried-
hof oder die Waschstätten.
Das Baumaterial schlechthin ist
Stein. In der schwierigen Abgrenzung
der Provence von benachbarten Re-
gionen gilt dies als ein entscheidendes
Merkmal: Wo vorwiegend mit Holz
gebaut wird, beginnt bereits die Dau-
phiné. Felsen sind in der Provence der
Standort vieler Siedlungen. Selbst
dort, wo Holz reichlich verfügbar ist,
etwa im Mauren-Gebirge, verwendet
man es bestenfalls für minder wichtige
Nebengebäude, nie für das Haus an
sich.
Rohe, oft halbierte, selten grob be-
hauene Natursteine sind das häufigs-
te Baumaterial, allein schon deshalb,
weil es an Ort und Stelle vorgefunden
wurde. Gesammelt auf den umliegen-
den Feldern oder in nahen Steinbrü-
chen, oft aber auch auf dem felsigen
Untergrund der entstehenden Sied-
lung, mussten diese Steine nicht erst
über eine weite Strecke transportiert
werden - so wie die teureren pierres
de taille. Diese Quadersteine aus gro-
ßen Steinbrüchen wie in Fontvieille
blieben meist Herrenhäusern vorbe-
halten, fanden aber in einigen, vom
Steinbruch nicht zu weit entfernten
Gegenden auch für weniger aufwendi-
ge Bauten Verwendung. Für viele ein-
fache Häuser, die ansonsten aus unbe-
hauenem Stein errichtet wurden, grif-
fen die Baumeister an den Ecken und
den Öffnungen für Türen und Fenster
auf Quadersteine oder grob behauene
Bruchsteine zurück.
Das außergewöhnlichste Beispiel
der Steinbauweise in der Provence
sind die archaisch wirkenden Trocken-
steinbauten (construction en pierre
sèche). In den Feldern gefundene
Bruchsteine und Steinplatten wurden
ohne jeden Mörtel aufeinander ge-
schichtet, sowohl zu niedrigen Mau-
ern, die die hügelige Landschaft in Ter-
rassen gliedern, als auch zu Nutzbau-
ten, Schäfereien und Ähnlichem. We-
niger verbreitet sind Mauern aus Ter-
re battue (Erde in einer Holzverscha-
lung), im Provenzalischen Tapi ge-
nannt. Diese eher billige Bauweise ver-
schwand gegen Ende des 19. Jh. unter
anderem, weil die Eisenbahn den
Transport anderer Materialien verein-
fachte.
Der Maurermeister leitet in der Pro-
vence traditionell den ganzen Bau,
auch das Decken des Daches. Bevor-
zugtes Material sind die tuiles canals,
gebogene Ziegel, die abwechselnd
nach oben und nach unten geöffnet
gedeckt werden, sodass sie ineinander
greifen. Obgleich mit Mörtel befestigt,
werden die unteren Reihen oft mit
schweren Steinen belastet, um sie zu-
sätzlich vor dem Mistral zu schützen.
Häufig schließt das Dach bündig mit
der Mauer ab; die Neigung bleibt mit
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