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Und immer sind es Fragmente, Spuren und Bruchst ü cke, deren sich der Geolo-
ge bedient, um das Mosaik der Erdgeschichte zu rekonstruieren. „Bruchstellen sind
Fundstellen“ schrieb Ernst J ü nger in seinem geschichtsphilosophischen Essay An der
Zeitmauer (1959). Dies gilt auch und gerade f ü r geologische Bruchstellen als Fundstel-
len versteinerter Urkunden. Um diese zu ordnen, bedarf es eines Codes. Ein Subsys-
tem dieses Codes sind die Fazies , die „Gesichter“ von zeitgleich gebildeten Gesteinen
in verschiedenen Ausbildungen. Sie beschreiben im Sinne des von Constant Pr é vost
(1787-1856) und Amanz Gressy (1814-1865) in die geologische Fachterminologie ein-
gef ü hrten Begrifs den Habitus eines Sediments hinsichtlich seiner petrographischen
Struktur oder seines Fossilinhalts. John Kay karikiert die Metapher (Abb. 2.3), indem
er James Hutton bei dem Versuch abbildet, die „Gesichter der Erde“ zu lesen: mente et
malleo (Genske & Hess-L ü ttich 1998: 142-143).
Der Aktualismus markiert einen geo-historischen Wendepunkt, die Emanzipation
der Geologie von theologischen Vorgaben. Vorbei die Zeiten, in denen der englische
Erzbischof James Usher (1581-1656) nach intensivem Bibelstudium die Entstehung
der Erde auf die Nacht vom 22. zum 23. Oktober des Jahres 4004 ante Christum da-
tierte. Sein schwäbischer Kollege Johann Albrecht Bengel (1687-1752) widersprach
ihm ü brigens, denn aufgrund seiner strikt exegetischen Datierung kam er auf den
10. Oktober 3943 v. Chr. Selbst heute noch werden die Grundlagen der historischen
Geologie von Fundamentaltheologen in Frage gestellt: In den 1990er Jahren protes-
tierte der orthodoxe Rabbiner Swi Gafner (Frankfurter Rundschau vom 13.8.1993: 24)
gegen die Darstellung, die Dinosaurier seien seit Jahrmillionen ausgestorbene Kreatu-
Abb. 2.3 James Hutton liest die
Fazies - die „Gesichter“ - eines
Gebirgsaufschlusses (Litho-
graphie in John Kays Portraits,
Edinburgh 1837, Bd 1, Nr 24).
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