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Geschichte
Größeren und die Kleineren heißen. In
großartigen Bewegungen ergießt sich
dort zweimal im Zeitraum eines jeden
Tages und einer Nacht das Meer über ei-
ne unendliche Fläche und offenbart ei-
nen ewigen Streit der Natur in einer
Gegend, von der es zweifelhaft ist, ob sie
zum Lande oder zum Meer gehört.
Dort bewohnt ein beklagenswertes
Vo l k hohe Erdhügel, die mit den Hän-
den nach dem Maß der höchsten Flut er-
richtet sind. In ihren erbauten Hütten
gleichen sie Seefahrern, wenn das Was-
ser das sie umgebende Land bedeckt,
und Schiffbrüchigen, wenn es zurückge-
wichen ist und ihre Hütten gleich ge-
strandeten Schiffen allein dort liegen.
Von ihren Hütten aus machen sie
nach dem Zurückweichen des Meeres
Jagd auf die zurückgebliebenen Fische.
Ihnen ist es nicht vergönnt, Vieh zu
halten, sich von Milch zu ernähren wie
ihre Nachbarn, ja nicht einmal mit wil-
den Tieren zu kämpfen, da jedes Busch-
werk fehlt.
Aus Schilfgras und Binsen flechten sie
Stricke, um Netze für die Fischerei dar-
aus zu machen. Und indem sie mit den
Händen ergriffenen Schlamm mehr im
Winde als in der Sonne trocknen, erwär-
men sie ihre Speise und die vom Nord-
wind erstarrten Glieder durch Erde
[Anm. des Autors: Gemeint war wohl
Torf ]. Zum Trinken dient ihnen nur Re-
genwasser, das im Vorhof des Hauses in
Gruben gesammelt wird. Und diese Völ-
ker sagen, wenn sie heute vom römi-
schen Volk besiegt werden sollten, seien
sie dann Knechte. In Wirklichkeit aber
ist es bei ihnen so: Das Schicksal schont
viele, um sie zu strafen.“
Harte Worte, aber wohl nicht weit
von der damaligen Wirklichkeit ent-
Westküste
Schleswig-Holsteins
Chauken
Wie waren die geschichtlichen Anfänge
an der Nordseeküste dieses Landes, das
heute Schleswig-Holstein heißt? Allzu
viel ist nicht bekannt, aber ein früher
Chronist soll hier doch zitiert werden.
Dabei dürfte der folgende Bericht ei-
gentlich gar nicht an dieser Stelle stehen.
Mit einiger Sicherheit ist nämlich nicht
das Gebiet nördlich der Elbe gemeint ge-
wesen, sondern es ging um die Chauken,
die südlich der Elbe lebten. Warum wird
es dann hier trotzdem gebracht? Weil
sich die Lebensumstände kaum anders
dargestellt haben dürften, als im Folgen-
den beschrieben.
Um die Zeitenwende breiteten sich
die Römer gewaltig aus, hatten auch
ganz Germanien unter Kontrolle. Ganz
Germanien? Nein, ein tapferes Volk
hoch im Norden wollte oder konnte sich
nicht unterwerfen. So etwas hat Folgen.
Natürlich wurde eine Streitmacht hoch-
geschickt, um die Sache zu regeln. Die
frechen Küstenbewohner sollten zur Rä-
son gebracht werden. Das ging gründ-
lich schief, mehrmals sogar. 47 n. Chr.
zog abermals eine römische Strafexpedi-
tion nach Norden, und diesmal war Pli-
nius der Ältere dabei. Der war Chronist,
eine Art früher Kriegsreporter also. Und
seine Beschreibung der Küs ten be woh -
ner ist bis heute überliefert:
„Gesehen haben wir im Norden die
Völkerschaften der Chauken, die die
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