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Emil Nolde und das Malverbot
Der Brief kam per Einschreiben. Das Datum:
23. August 1941, der Absender: der Präsident
der Reichskammer der bildenden Künste. Im
besten Amtsdeutsch wurde dem Maler Emil
Nolde ein Berufsverbot mitgeteilt. Der Füh-
rer höchstpersönlich hatte „Richtlinien zur
künstlerischen Haltung ... in Verantwortung
gegenüber Volk und Reich“ festgelegt. Der
Herr Präsident kam zu der Erkenntnis, dass „...
Sie jedoch auch heute noch diesem kulturel-
len Gedankengut fern (stehen) und entspre-
chen nach wie vor nicht den Voraussetzun-
gen, die für Ihre künstlerische Tätigkeit im
Reich ... erforderlich sind.“
Die Konsequenz: Ausschluss aus der Kam-
mer der bildenden Künste und Malverbot. Er-
gänzt wurde der Brief mit der Bemerkung,
dass „anlässlich der (...) vom Führer aufgetra-
genen Ausmerzung allein 1052 Werke be-
schlagnahmt wurden.“ Das war wohl ein
trauriger Rekord. Zu jenem Zeitpunkt war
Emil Nolde bereits 76 Jahre alt und lebte in
der friesischen Abgeschiedenheit auf einem
Hof in Seebüll.
Nolde wurde überwacht, bekam kein Ma-
terial und malte dennoch. Gerade in jener
Zeit entstanden kleine Aquarelle, seine soge-
nannten „Ungemalten Bilder“. Kaum je-
mand wusste davon. Etwa 1300 Kunstwerke
schuf Nolde auf diese Weise bis 1945. Einige
übertrug er später, am Ende seiner Karriere,
in großformatige Ölbilder.
Nolde wurde am 7. August 1867 als Emil
Hansen in dem winzigen Dorf Nolde bei Ton-
dern geboren. Er war der Sohn eines Bau-
ern, der wenig Verständnis für Klein-Emils
künstlerische Neigung hatte. So kam es wie
so oft, Emil lernte erst einen „richtigen“ Beruf
(Möbelschnitzer) und fand über etliche Um-
wege zur Malerei.
1892 war er beispielsweise Lehrer in St.
Gallen. Dort erfuhr er auch erste künstleri-
sche Erfolge, nachdem er die Gebirgsland-
schaft mit menschlichen Gesichtern verfrem-
det auf Postkarten dargestellt hatte. Die gin-
gen weg wie die sprichwörtlichen warmen
Semmeln und machten ihn finanziell unab-
hängig. Daraufhin studierte er in Paris, Mün-
chen, Dresden und Kopenhagen.
So langsam machte er sich einen Namen,
nannte sich nun auch Nolde und nicht mehr
Hansen. Kurze Zeit war er Mitglied der Künst-
lervereinigung „Brücke“, verließ diese aber
bereits 1907 wieder. Dem Expressionismus
blieb er jedoch treu. Nolde pendelte in jener
Zeit zwischen Berlin und der dänischen Insel
Alsen, eine Studienreise führte ihn dann so-
gar bis Neuguinea.
Nolde gewann nach dem Ersten Weltkrieg
an Renommee, lebte in Berlin und in Fries-
land. 1927 baute er sich sein großes Haus in
Seebüll, wo er die Nazizeit überstand. Eine
Emigration lehnte er ab. Am 13. April 1956
verstarb Emil Nolde in seinem Seebüller Do-
mizil.
Neben seinen „Ungemalten Bildern“ blieb
die friesische Landschaft, mit grellen, kon-
trastreichen Farben dargestellt, sein beherr-
schendes Thema und beeindruckt auch heu-
te noch.
Siegfried Lenz setzte Nolde mit seinem Ro-
man „Deutschstunde“
ein literarisches
Denkmal.
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