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Die Pharisäer von Nordstrand
Es war einmal ein rechtschaffener Pastor, der
wurde zu einer neuen Gemeinde im fernen
Friesenland geschickt. Nordstrand hieß der
Ort und war eine Insel. Wie überall an der
Küste war es da gar bitter kalt im Winter, kein
Wunder, dass sich die Bewohner ständig mit
einem oder gar mehreren s-teifen Grogs
schützen mussten. Um es kurz zu machen, sie
soffen wie die Löcher!
Der Pastor wetterte gegen die Trinkerei
von der Kanzel herab, wünschte den saufen-
den Friesen Pest und Galle an den Hals. Ver-
gebens. Friesen können bekanntlich ver-
dammt stur sein.
Eines Tages wurde der gute Mann dann,
wie es Brauch war, nach einer Kindstaufe
noch zu einer kleinen Geselligkeit eingela-
den. Natürlich gab es keine hochprozenti-
gen Getränke, sondern nur Tee oder Kaffee.
Der Tag ging, aber leider nicht der Pastor. Der
blieb genauso stur hocken und die Nord-
stränder auf dem Trockenen.
Bis ein plietscher Bauer seiner Magd auf-
trug, in die Kaffeetassen einen kräftigen
Schuss Rum zu gießen und obenauf einen
ordentlichen Klecks Sahne zu drapieren. Ge-
gen den Geruch. Und so geschah es, dass die
Gesellschaft immer lustiger wurde, auch oh-
ne Alkohol, wie jedenfalls der gute Pastor
meinte. Er freute sich gar sehr, dass es an-
scheinend auch „ohne“ ging, bis, tja, bis man
ihm eine falsche Tasse gab. Entsetzt sprang er
auf - sofort das Spiel durchschauend - und
schimpfte laut los: „Ihr scheinheiliges Volk,
ihr Pharisäer!“
Und so wurde es geboren und auch gleich
getauft, das Getränk, das man überall an der
Nordseeküste in der kalten Jahreszeit be-
kommen kann: der „Pharisäer“.
Und wann ist nun ein „Pharisäer“ ein „Pha-
risäer“?: Ein echter Pharisäer ist erst „echt“,
wenn er 4 cl Flensburger Rum enthält. Das
wurde vor einigen Jahren vom Flensburger
Amtsgericht höchstamtlich entschieden. Ein
Flensburger Bürger beschwerte sich nämlich
in einer Kneipe beim Wirt, dass sein Pharisäer
zu viel Kaffee und zu wenig Rum enthalte, er
deshalb selbigen nicht zu bezahlen gedenke.
Der Wirt, nicht faul, zeigte den störrischen
Trinker wegen Zechprellerei an. So etwas lan-
det in Deutschland vor Gericht. Was also war
zu tun? Der Richter verlegte die Sitzung an
den einzig richtigen Ort, nämlich in die Knei-
pe „Bei Tante Lene“. Dort wurde dann über
den Pharisäer zu Gericht gesessen. Mehrere
Tassen unterschiedlicher Beimischung setzte
Tante Lene dem strengen Herrn Richter vor,
der genüsslich kostete. Jede einzelne Tasse,
natürlich. Man müsse sich ja schließlich ein
fundiertes Urteil bilden, hicks! Tschulligung!
Das Urteil wurde um eine Woche vertagt und
dann gefällt: Ein echter Pharisäer ist erst echt
mit 4 cl Rum, alles andere wirke eher ernüch-
ternd. Weise gesprochen! Da merkt man
dann, dass der Richter ein Nordlicht war.
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