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Käthe Kollwitz im Rüdenhof
Das barocke Schloss mit seinen kurzen, trutzi-
gen Türmen zittert leise. Wellen kräuseln sein
Spiegelbild. Wie ein Klecks, mitten im Teich, hält
sich eine Insel. Eine Baumgruppe verbirgt den
Pavillon auf dem Wasser, als ob er allein für die-
ses Schwanenpaar errichtet worden wäre. Drü-
ben, auf der Schlosspromenade, ergehen sich
Touristen in wettinischer Historie.
Am geöffneten Fenster des„Rüdenhofes“ hat-
te auch die Künstlerin dieses Bild vor Augen. Die
kleine Insel, das Wasser, die Wolken beschrieb
sie in ihrem Tagebuch. Am 22. April 1945 starb
Käthe Kollwitz im Moritzburger Rüdenhof. Im Juli
darauf wollte die „Deutsche Volkszeitung“ noch
zum Geburtstag gratulieren: „Wir drücken der
Künstlerin die Hand.“
Käthe Kollwitz, schwerkrank und von den Na-
zis verfemt, war im Juli 1944 vom kunstsinnigen
Prinzen Ernst Heinrich von Sachsen aus dem von
Bombardements bedrohten Nordhausen nach
Moritzburg geholt und in den „Rüdenhof“ ein-
quartiert worden. Dort lebte sie zurückgezogen,
halb erblindet, verzweifelt wartend auf den Tod.
Schon im Dezember 1942 hatte sie dem Tage-
buch anvertraut: „Tot sein, o ja, das ist mir oft ein
guter Gedanke.“ 1940 war ihr Ehemann Karl ge-
storben, im September 1942 Enkel Peter in Russ-
land gefallen. Am 23. November 1943 ging die
Berliner Wohnung bei einem Bombardement in
Flammen auf, mit Bildern und Druckstöcken,
drei Monate nachdem die Kollwitz von der be-
freundeten Bildhauerin Margarete Böning in die
Nordhausener Zuflucht geholt worden war.
Das Barockmuseum im Schloss Moritzburg
(siehe oben) richtete 1950 eine kleine Gedenk-
ausstellung für Käthe Kollwitz ein. Der Rüdenhof
selbst war seit dem Ende des Krieges über die
zentrale „Wohnraumlenkung“ vermietet wor-
den, obwohl es einen Beschluss der Landesver-
waltung Sachsen gab, dort eine Gedenkstätte
einzurichten. Es blieb bei einer unscheinbaren
Erinnerungstafel.
Ein „Freundeskreis Käthe Kollwitz“, legitimiert
unter dem Dach des Kulturbundes, bemühte
sich ab 1985 um Räume im Rüdenhof. Am 5. Au-
gust 1990 wurde eine provisorische Gedenkstät-
te eröffnet.
1994 begannen Bauarbeiten an dem Gutshof,
wo im 18. Jahrhundert die kurfürstlichen Jagd-
hunde scharfgemacht worden waren. Zum 50.
Todestag von Käthe Kollwitz, am 22. April 1995,
wurde im einzigen erhaltenen Wohnhaus der
Künstlerin eine Gedenkstätte eröffnet. Dort
werden Zeugnisse ihrer Moritzburger Jahre und
Ausstellungen gegenwärtiger Kunst gezeigt, vor
allem aber die Grafiken der Kollwitz.
± Käthe-Kollwitz-Haus Moritzburg, Rüdenhof,
Meißner Str. 7, Moritzburg, Tel. (035207) 82818,
www.kollwitz-moritzburg.de. Geöffnet April bis
Okt. Mo-Fr 11-17 Uhr, Sa/So 10-17 Uhr, Nov. bis
März Di-Fr 12-16 Uhr, Sa/So 11-16 Uhr.
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